
Südafrika in Coronazeiten – Sonderbericht aus aktuellem Anlass
Aus aktuellem Anlass heute ein kleiner Sonderbericht zu unserer Südafrikatour. Wir haben nämlich keine normale Tour oder Reise gemacht. Wir, das sind in diesem Fall Claudia, Inhaberin von Reisen&Speisen, Sigrid (eine gute Freundin von Claudia), Stefan (Webmaster, IT- und Marketing für Reisen&Speisen) und Wynand (südafrikanischer Guide vor Ort).
Seit über einem Jahr steht die Reisebranche still. Niemand kann derzeit sagen wann es wieder richtig los geht, verlässliche Planungen sind noch nicht möglich aufgrund der weltweiten Reisewarnungen.
Während der Tourismus seit Ostern mit den spanischen Inseln wieder ein kleines bisschen erwacht, haben wir uns entschieden nach Südafrika zu fliegen. Es ging darum Foto- und Filmmaterial für zukünftige Touren und Reiseprogramme zu produzieren. Gleichzeitig wollten wir uns einen eigenen Eindruck machen wie das Reisen unter Corona Bedingungen ans andere Ende der Welt ist. Wie sicher ist das Reisen? Welche neuen Bedingungen gibt es und wie ist der Ablauf? Wie ist die Situation wirklich vor Ort.
Was Corona angeht, so haben wir uns in Südafrika sicherer und besser aufgehoben gefühlt als in Deutschland. Was nicht nur an den viel niedrigeren Zahlen und unserem Aufenthalt in einem weitestgehend leeren Land lag, sondern auch weil die Maßnahmen viel umfangreicher und sorgfältiger umgesetzt werden als bei uns. So schön das leere Land für uns zum Reisen auch war, uns waren zu jedem Zeitpunkt die Folgen des ausbleibenden Tourismus bewusst. Wir haben hinter die Kulissen geguckt und ernste Gespräche mit den Menschen vor Ort geführt. Da waren die Shop Inhaber Egi und Harry in Barrydale, die normal neun Angestellte haben, die jeweils 9-10 Köpfe ernähren. Jetzt haben sie nur noch eine Mitarbeiterin. In der Thabile Lodge versucht Len seine Mitarbeiter noch irgendwie zu bezahlen – auch wenn die Gäste seit einem Jahr fehlen. Er hofft dringend auf die nächsten Monate, sonst muss er seine kleine Lodge aufgeben und verkaufen. In Knysna haben wir Ricardo kennengelernt, der jeden Morgen zu Fuß hoch auf die Knysna Heads wandert und hier aus Draht und alten Plastikflaschen tolle Seepferchen bastelt. Ganz selten verkauft er nur noch eins. Derrick, der Busfahrer der letzten Reisen&Speisen Tour erzählt uns, dass die Busunternehmen nicht mehr existieren oder die Flotte verkauft haben. Er hat seinen Job verloren und hält sich jetzt mit Handwerksleistungen über Wasser. Unser Guide Wynand hat ebenfalls seit einem Jahr keine Tour mehr gemacht. Er und seine Familie wird von seiner Familie aus Deutschland unterstützt. In Kapstadt haben wir an den Straßen so manches Zelt von neuen Obdachlosen gesehen. Menschen, die durch die Auswirkungen der Pandemie nicht nur ihren Job, sondern auch Heimat verloren haben.
Positive Menschen
Trotz dieser besorgniserregenden Umstände und ernsten Themen konnten wir unsere Tour und das wunderschöne Land genießen. Denn die Südafrikaner sind alles Überlebenskünstler. Der Staat kann sich Hilfsprogramme wie in Deutschland nicht leisten. Doch trotz der ernsten Lage versuchen die Menschen positiv zu bleiben. Sie hoffen auf bessere Zeiten und werden kreativ. Sie versuchen irgendwie Geld zu verdienen, sind dabei aber nicht aufdringlich. In Simon’s Town haben Obdachlose Straßenbeete zu wundervollen Kunstwerken verwandelt und bekommen dafür einen kleinen Tip.
Tour mit besonderer Bedeutung
Auch unser Guide Wynand, Vater von zwei entzückenden Kindern, blickt positiv und hoffnungsvoll in die Zukunft. Auch für ihn ist die Tour mit uns nicht irgendeine Tour. Für ihn sind wir ein Segen, wie er sagt, weil er endlich mal wieder unterwegs sein kann. Für uns alle bedeutet diese Tour etwas ganz Besonderes, etwas das Worte nur schwer ausdrücken können. Nach über einem Jahr Pandemie erleben wir vier gemeinsam so etwas wie Normalität. Wir sind gemeinsam unter Menschen. Erleben wieder etwas über das wir uns unterhalten können. Wir genießen Landschaft, Natur und Essen. Ja, Essen nicht selbst gekocht, sondern mal wieder im Restaurant. Doch die schöne Landschaft ist gar nicht das Beste. Das Beste sind die tollen Gespräche, ernste und spaßige. Wir haben Spaß, sehr viel Spaß, können uns vor Lachen teils kaum halten und haben so manches mal Lachbauchschmerzen. Was ursprünglich als Businesstrip geplant war, ist für uns schon nach kurzer Zeit eine Reise von vier Freunden. Das ist es, was das Leben lebenswert macht. Und wenn hierzulande irgendjemand in Hinblick auf die ganzen Einschränkungen meint „wieso, welche Freiheiten fehlt dir denn grad?“, dann weiß dieser Jemand nicht was Leben ist.
Unterdessen sind wir alle wieder seit einiger Zeit zu Hause, machen grad unsere Quarantäne durch. Quarantäne, obwohl wir aus einem sicheren Land in das Hochrisikogebiet Deutschland gekommen sind. Es müsste eigentlich anders rum sein. Doch Südafrika wird vom RKI noch als Virusvariantengebiet geführt. Eine Variante, die so heißt, weil sie hier erstmals identifiziert wurde. Ob sie hier auch ihren Ursprung hat, weiß niemand. Fakt ist: Südafrika zählt zu den medizinisch fortschrittlichsten Ländern. Hier wurde die erste Herztransplantation durchgeführt und auch das erste Innenohr im 3D-Drucker hergestellt. Eine Virusvariante, die wohl nicht stärker als der Stamm ist und auch nicht ansteckender, wie die britische Variante. Sie macht in Deutschland weniger als 1% aus, während die britische bereits auf über 88% kommt und Großbritannien vom RKI wieder freigegeben wurde und keine Quarantäne mehr erforderlich ist…. Wahrscheinlich geht es nur um Geld, weil Südafrika für Deutschland nicht so wichtig ist wie der Nachbar. Doch die Auswirkungen, was die Reisewarnung und Quarantäneanordnung angehen, sind hier deutlich zu spüren.
Schock für Wynand
Wir vier stehen auch heute noch in täglichem Kontakt. Grad gestern hat mir Wynand vom Fußballspiel von seinem Sohn berichtet und war traurig, dass ich nicht dabei war. Er und sein Sohn waren die einzigen weißen bei dem Fußballspiel im Township. „Du hättest mit deiner Drohne und 360-Grad Kamera hier sein müssen, dass glaubt bei euch zu Hause keiner.“ Erzählt Wynand und berichtet mir wie auch im Township alle ganz selbstverständliche Maske tragen und die Hände desinfizieren.
Am Abend poste ich einen lustigen Kommentar in unserer WhatsApp Gruppe. Wenig später kommt von Wynand eine traurige Nachricht:
Ich habe mir ein Glas Rotwein eingeschenkt.
Wisst ihr warum?!
Wir haben heute Abend gegrillt und irgendwann kam meine Tochter und fragte mich ob ihre Freundin mit uns zu Abend essen darf.
Die Eltern ihrer Freundin haben kein Geld mehr für Essen, Strom und Wasser…
Ich bin gerade im freien Fall und muss das erstmal sacken lassen.
Ihre Freundin hat natürlich mit uns zu Abend gegessen.
Ich glaube, dass sie den ganzen Tag nichts zu essen hatte… 😪
Mit Ivy zusammen habe ich sie nach Hause gebracht.
Das Haus ihrer Eltern war dunkel.
Einfach nur dunkel…
Kein Licht.
Mein Gott fühle ich mich schlecht.
Im Januar hatte ich einen ähnlichen Fall bei einer guten Freundin, die durch die Coronamaßnahmen ebenfalls unverschuldet in Not geriet. Sofort weiß ich daher wie Wynand sich mit diesem Wissen fühlt.
Gemeinsam können wir etwas bewirken
Das tolle ist, dass es nicht nur uns vier gibt. Unsere Tour hat uns vernetzt. Wir kennen plötzlich eine Reihe von deutschen Auswanderern mit den wir Gespräche geführt haben. Wir teilen unsere Eindrücke in den entsprechenden Socialmedia Gruppen und werden von denen dort verfolgt. Begeistert nimmt man unsere Aktivitäten wahr. So kommt eine Diskussion um Wynands Nachricht in Gang. Klar ist: wir können alleine die Welt nicht retten, aber gemeinsam muss sich doch wenigstens etwas tun lassen.
Thomas Franke ist zwar nicht der Bergdoktor, aber wir kennen den deutschen Arzt aus Kapstadt, weil er unseren Coronatest vor der Rückreise gemacht hat. Er und seine Frau Ariane sind sehr in der Hilfsorganisation „Kinder in Not – Hilfe für Südafrika e.V.“ engagiert. Es gibt so viele schwarze Schafe bei Hilfsorganisationen, grad ins Ausland würde ich nie spenden. Doch diese Organisation ist ein Musterbeispiel für Transparenz, Schnelligkeit und Tatkraft. Es dauert nicht lange und Thomas handelt, er bezahlt der Familie in Not den Strom und postet den Beleg gleich in der Facebook Diskussion. Die Frage kommt auf, wie auch andere unterstützen können. Thomas und Ariane machen einen Fall in der Hilfsorganisation auf. Unter dem Betreff „Familie Somerset West“ überweisen wir einen Betrag auf das deutsche Spendenkonto und schicken Thomas einen Screenshot von der Überweisung. Es dauert nur ein paar Minuten, da bestätigt er bereits den Zahlungseingang und kurz darauf bekommen wir schon den Beleg, dass die Summe in Südafrikanischen Rand auf Wynands Konto eingegangen ist. Morgen früh übergibt er das Geld der arbeitslosen Mutter, die heute schon vor Freude geweint hat, als die Stromkosten von Thomas beglichen wurden. Es fühlt sich wirklich gut an, wenn man gemeinsam in schwierigen Zeiten etwas Gutes bewirken kann und weiß das es da ankommt wo es ankommen soll.
Wynand musste das Erlebnis gestern Abend einfach nur loswerden und mit jemandem darüber reden. Er hat nicht daran gedacht und damit gerechnet, dass diese Info gleich so eine Lawine lostritt. Vielleicht möchte noch Jemand Wynands Nachbarn in Not unterstützen. Auch kleine Summen helfen. Das Spendenkonto von Kinder in Not – Hilfe für Südafrika e.V. ist:
DE47 4306 0967 1009 5007 00 Betreff: Familie Somerset West. (Bei Überweisung vielleicht eine kurze Info an: info@reise-speise.de, dann können wir die Info schon weiterleiten, damit die Gelder schnell der Familie zu Gute kommen).
Reisen ist Leben!
Warum habe ich jetzt diesen Sonderbericht geschrieben? Es ging mir darum zu zeigen, wie wichtig das Reisen ist. Reisen ist nicht nur irgendein Freizeitspaß. Reisen bildet. Reisen sorgt dafür den Horizont zu erweitern, über den Tellerrand zu schauen. Sich Dinge und Begebenheiten mit eigenen Augen anzuschauen. Reisen bringt unterschiedliche Menschen und Kulturen zusammen. Lässt Freundschaften über Ländergrenzen und Kontinente hinweg entstehen. Reisen schafft Verständnis, sorgt für ein friedliches Miteinander und schafft Wohlstand auf der ganzen Welt. Wenn nicht gereist wird, verlieren wir nicht nur einen wertvollen Bestandteil unseres Lebens, sondern vergrößern Armut und Hunger auf der Welt. Reisen ist Leben!
Ergänzung:
Es war 0:17 Uhr heute Nacht, als ich diesen Beitrag veröffentlicht habe. Es ist mir noch ein persönliches Anliegen etwas zu ergänzen. Etwas das zeigen soll, wie man gemeinsam etwas schaffen kann. Bei Reisen&Speisen ist Nachhaltigkeit fester Bestandteil der Firmenphilosophie und wir konnten schon so manches vor Ort bewirken.
Als 2003 der Tsunami über Asien hereinbrach, verlor unser Guide auf Sri Lanka sein Haus. Eine Spendenaktion wurde gestartet und genug Geld gesammelt, damit er sein Haus wieder aufbauen konnte. Ein Jahr später hat er es unseren Gästen auf der nächsten Tour stolz gezeigt.
2019 haben wir unser 16. Jubiläum mit einem großen Benefiz-Dinner gefeiert. Unser Guide Kaushal kam eigens aus Indien um zusammen mit uns für die Gäste zu kochen. Der Erlös ging an seine Hilfsorganisation Hand in Hand. Trotz Coronapandemie und seit über einem Jahr ausbleibenden Jobs als Tourguide gibt er die Hoffnung nicht auf. Im Gegenteil, regelmäßig schickt er uns Bilder vom Baufortschritt von der Schule und Infozentrum, die er mit seiner kleinen Organisation für die Kinder und arme Bevölkerung baut.
Und seit letztem Jahr versuchen wir mit verschiedenen Reisen den Menschen wieder Lust und Mut zum Reisen zu machen. Um zu zeigen, dass Reisen trotz Pandemie sicher sein kann. Das Reisen eben nicht nur aus Party besteht, wie es die Medien gerne vermitteln zu versuchen. Sondern das Reisen mehr ist und nicht nur negative, sondern auch ganz, ganz viele positive Folgen für viele, viele Menschen auf der ganzen Welt hat.